Stube

Meyers Konversationslexikon von 1885ff weist zu Recht auf den notwendigen Schutz gegen diese Plagegeister hin in den Zimmern […] durch Vorsetzfenster von Gaze, mit klebrigen Stoffen überzogene Stöcke, Abkochung von Quassienholz (Fliegenholz), welche, mit etwas Zucker vermischt, die F. in Menge herbeilockt, aber nur betäubt, und durch Fliegenpapier. Zum Trost ihres wichtigsten Opfers, des einsam Schreibenden, fügt Meyer hinzu: Die F. verlassen Räume, welche mit Lorbeeröl gestrichen sind, oder in denen trockne Kürbisblätter auf glühende Kohlen geworfen wurden. Kein Zweifel also, wie die Antwort auf die ebenso bohrende wie ungelöste Frage lautet, was denn Spitzwegs armer Poet mit seiner rechten Hand machte: augenscheinlich zerdrückte er eine Fliege.

Selten wird man einige Stunden, zumal bei Sonnenschein, mit dieser Aufmerksamkeit herumgehen, ohne eine neue Fliegenart zu finden. Am meisten aber wird man gegenwärtige gemeine Sorte antreffen, die sowol auf den Blättern der Bäume in den Wäldern und Gärten, als in den Ställen und Zimmern zuhause ist. Dieienigen von dieser Art, welche übrig bleiben, und vor dem Winter nicht umkommen, halten sich in den Ställen, oder in stets geheizten Zimmern auf. Kaum komt im Frühjahre die Sonne unter trüben Wolken hervor; so findet man diese lebhaften Geschöpfe auf den Stellen, die die Sonne an dem Fuße der äusern Wände der Häuser bescheinet.
Da ihre Eier die Eigenschaft haben, daß sie auf einem trocknen Lager gar bald zusammen schrumpfen und verderben; so hat die Natur die Fliegenmutter gelehret, wenn sie legen will, solche Stellen aufzusuchen, die mit so vieler Feuchtigkeit versehen sind, daß sie ihre Eier mit Sicherheit hinlegen kan. Sie erreichet dabey mit dieser Handlung zwei Absichten. Die Feuchtigkeiten bewahren einmal das Ei wider das Vertrocknen, und dann dienen sie der hervorkommenden Made zur ersten Nahrung. Daher kommen auch wol die meisten Fliegen in den Ställen, in faulenden Sümpfen, im Mist, mit einem Worte, in der Fäulniß und im Gestank zur Welt. […]
Die weibliche Fliege ist leicht von der männlichen zu unterscheiden. Sie ist überhaupt größer, als diese. Ihr Bauch ist mehr aufgelauffen, heller von Farbe, und, wann die Fliege bald legen will, unten so durchsichtig, daß die gegeneinander über liegenden Eier auf beiden Seiten hindurch scheinen.
[…] Die Haut, oder Schale eines solchen Eies […] ist zart, eben, elastisch und so weis und glänzend, wie Perlenmutter. An deßen spitzigen, oder vordern Theile zeigen sich einige ringförmige Wülste, die aber nur kurz vor dem Auskriechen der darin verborgenen Made sichtbar werden. Dieses Auskriechen erfolget meistentheils in 24. Stunden nach dem Legen, und wenn die Eier dem Sonnenschein ausgesetzet sind, längstens in der 12ten Stunde. Ohngefehr eine halbe Stunde zuvor, ehe dieses geschieht, bekomt das Ei die erstgedachten sichtbarn ringförmige Wülste. Bald hernach aber wird man eine wälzende, oder vielmehr wellenförmige Bewegung derselben gewahr, und gleich darauf erfolget die Eröfnung des Eies an seiner Spize, und endlich die Made selbst. Ihr erster Eintrit in die Welt fält ihr sehr beschwerlich. Für eine Made sind drei, oder vier Minuten, als solange sie damit zubringt, sich aus dem Ei zu arbeiten, vielleicht soviel Tage.

Wilhelm Friedrich von Gleichen-Russwurm: Geschichte der gemeinen Stubenfliege. Von dem Verfaßer des Neuesten aus dem Reiche der Pflanzen. Hgg. v. Johann Christoph Keller. [Nürnberg] 1764, S. 4-5

Ballodora dimorpha, Zarskoe Selo.