Bewimpert

Ballodora dimorpha

Ballodora dimorpha (Trudy Petrogradskogo Obscestva Estestvoispytatelej, 1921).

 Im Sommer 1920 haben wir an den Kiemenblättchen von Porcellio aus der Umgebung von Peterhoff zwei neue Arten Infusorien entdeckt, die manche interessante biologische Besonderheiten besitzt, was ihre Beschreibung wünschenswert macht.

  1. Ballodora dimorpha gen. n. sp. n.

 Die eine Art gehört zu den Peritricha und bildet eine neue Gattung - Ballodora - die am nächsten zur Gattung Opercularia gestellt werden darf. Es sind sehr viele Peritrichen bekannt, welche an verschiedenen Wasserthieren ektoparasitisch, oder richtiger raumparasitisch leben; jedoch ist Ballodora die erste, welche an echten Landtieren, wie Porcellio, angetroffen wird.
 Ballodora ist an den Kiemenplättchen von Porcellio zu finden, wo sie bald einzeln, bald zierliche kleine Kolonien bildend, angetroffen wird. Beinahe alle Exemplare von Porcellio aus der Umgebung von Peterhoff waren von den Infusorien infiziert.
 Obwohl an den Landtieren lebend, befinden sich die Infusorien doch nicht im trocknen Medium. Der Raum zwischen Kiemendeckeln und Kiemen wird bei Porcellio stets von einer glasshellen Flüssigkeit erfüllt, die wahrscheinlich als Absonderungsprodukt besonderer Hautdrüsen zu deueten ist (Ray Lankester; Treatise on Zoology).
 Wie […] zu erkennen ist, hat Ballodora ein Opercularia-ähnliches Aussehen, von der sie sich doch durch die Abwesenheit des Peristomdeckels etc. unterscheidet. Die adorale Spirale bildet circa 3 Windungen, die contractile Vakuole hat einen einzigen Ausführungsgang und ist von einer bandähnlichen Bildung umsäumt, welche wahrscheinlich gewisse Bedeutung bei der Entleerung der Vakuole haben soll. Der Stiel ist kurz und wird mit einer kleinen Fuss scheibe an die Kiemenoberfläche des Wirtes befestigt. Bei der Kolonienbildung, welche durch fortgesetzte Teilung eines einzigen Muttertieres vor sich geht, wird der Stil mehrfach dichotomisch verzweigt. Dabei wird meistens gar kein Synchronismus in der Teilung einzelner Tiere desselben Stockes beobachtet, was zu einem Dimorphismus der Koloniekomponenten führt: der Stock besteht gewöhnlich teils aus grossen wohlentwickelten Tieren (50x30µ), teils aus kleinen (25x18µ), die manche Degenerationsmerkmale zeigen, gebildet. Daher belegen wir diese Form mit dem Art-namen dimorpha. Die kleineren Exemplare werden durch fortgesetzte Teilung einiger grosser Individuen gebildet. Das Peristom solcher Zwergtiere wird eingezogen, Nahrungsvakuolen fehlen ihnen vollständig, dagegen am hinteren Körperende wird von ihnen ein Wimperkranz erzeugt, der sie als bewegliche Stadien dokumentiert. Die hauptsächliche Rolle solcher Schwärmer soll in der Verbreitung des Infusors auf der Oberfläche des Wirtes bestehen. Ganz besondere Bedeutung bekommen aber die Schwärmer bei der Häutung der Asseln. Wie es ohnehin zu sehen ist, muss die Häutungsperiode des Wirtes eine höchst kritische Zeit für seine Parasiten darstellen.
 Es stellt sich heraus, dass bei der Häutung von Porcellio nicht seine ganze Chitindecke mit einem Mal abgeworfen wird, sondern dass das Chitin dder Kiemenblättchen in unregelmässigen Fetzen abgestreift wird. Dabei bekommen die Schwärmer Gelegenheit, von ihrem Stiele abgelöst, sich auf bereits von altem Chitin befreite Stellen der Kiemenoberfläche wieder festzusetzen, um später neuen Ballodora-Kolonien Ursprung zu geben.
Es leuchtet aber aus unsern Untersuchungen ein, dass, was viel interessanter ist, auch grosse festsitzende Exemplare von Ballodora die Fähigkeit besitzen, in einer sehr originellen Weise bei der Häutung ihres Wirtes ihren Sitz auf den Kiemen zu behalten, indem sie synchronisch mit dem Wirt auch eine Häutung erleiden. Es ist uns gelungen, diesen Prozess bei Infusorien auf sich häutenden Exemplaren von Porcellio Schritt für Schritt zu verfolgen […]. Anfangs hebt sich die Cuticula des ganzen Tieres von ihrem Inhalt ab, welcher sich von einer neuen sehr dünnen Cuticularschicht umgibt; zwischen beiden Cuticularschichten ist sehr gut ein schmaler Spalt zu sehen. Nur in der Umgebung des Peristoms, welcher eingezogen wird, ist das Tier noch mit seiner alten Cuticula verbunden. Später sieht man am Basalende des Infusors, da wo der Anfang des Stieles sich befindet, eine Öffnung, die sich nach und nach erweitert. Allem Anschein nach ist diese Öffnung im verkürzten Stile gebildet, der sich zu dieser Zeit in eine Art flacher Sohle verwandelt hat. Durch die Öffnung wird nicht nur der Stiel, sondern auch das Chitin des Kiemenblattes durchsetzt. Wenn jetzt die Häutung der Assel beginnt und das alte Chitin sich von der Kieme abhebt, fliesst der ganze Inhalt des Infusors durch die erwähnte Öffnung hindurch, eine leere Cuticularhülle nach sich überlassend, und befindet sich wie früher zur Oberfläche der Kieme mit ihrem Basalende angeheftet. Auf der abgestreiften Kiemenbedeckung sieht man manchmal ganze Gruppen solcher leeren Ballodorahüllen und dementsprechend auf den Kiemen Gruppen dder frisch sich gehäuteten Infusorien.
 Die Häutung von Ballodora stellt sich etwas ganz besonders vor. Im allgemeinen wird die Häutung bei den Protozoen äußerst selten zutreffen. Bei Infusorien ist nur eine alte Angabe von Stein über eine Art von Opercularia bekannt, wo dder Prozess in vielen Hinsichten anders vor sich geht.
 Es ist leicht zu sehen, dass die Häutung von Ballodora das Resultat der parasitischen Lebensweise ist. Es ist eines der besten Beispiele, welche mächtige umgestaltende Wirkung der Wirt auf seine Parasiten ausübt. Die Häutung eines Parasiten (zu einer Klasse gehörend, wo ein solcher Vorgang nicht in das Lebensnormal des Tieres passt) wird durch die Häutung des Wirtes regelämßig induziert.
 Es sind doch nicht alle große Individuen durch Häutung vom Untergehen gerettet. Viele davon bleiben auf der abgestreiften Chitindecke sitzen und gehen zugrunde. Daraus erhellt für uns die Notwendigkeit der Schwärmerbildung. Conjugation wurde nur fragmentar beobachtet, soll abe rnach derselben Weise wie bei anderen Peritrichen vor sich gehen.

Ballodora dimorpha, Zarskoe Selo.